Freie Presse

 

„Ich fah­re, so­lan­ge es Spaß macht“

 

Rad­pro­fi Mar­cus Burg­hardt be­en­de­te sei­ne elf­te Tour de Fran­ce und denkt an die deut­sche Best­mar­ke des Rou­ti­niers Jens Voigt. In der Hei­mat ist ein Altbekann­ter mäch­tig stolz auf den Erzge­bir­ger.

 

VON THO­MAS PREN­ZEL

PA­RIS/CHEM­NITZ - Nach ei­ner kur­zen Nacht in Pa­ris düs­te Mar­cus Burg­hardt mit sei­ner Frau Ma­ria so­wie den Töchtern Le­na und The­re­sa in den Urlaub an den Wör­ther­see. Die Zeit mit der Fa­mi­lie be­deu­tet für den ge­bür­ti­gen Zscho­pau­er viel und ist so et­was wie sei­ne Be­loh­nung nach knapp 3500 Radki­lo­me­tern Schin­de­rei bei sei­ner elften Tour-de-Fran­ce-Teil­nah­me. „Am En­de ist es gut ge­we­sen, als es vor­bei war. Ich brauch’ jetzt erst mal mei­ne Erho­lung“, mein­te der Rad­pro­fi vom Team Bo­ra-hans­gro­he im Te­le­fon­in­ter­view mit „Freie Pres­se“.

 

 

 

Die An­er­ken­nung der Sport­li­chen Lei­tung hat­te Burg­hardt be­reits bei der nächt­li­chen Fei­er zu­vor ein­ge­heimst. Nach dem Shake­hands mit Spon­so­ren noch auf den Champs-Élysées und dem An­sto­ßen im Bus ging es in ei­ner Bar in der Stadt der Lie­be mit den Fa­mi­li­en­an­ge­hö­ren und Freun­den zum ge­müt­li­chen Teil über. Zu er­zäh­len gab es einiges. Denn der Erz­ge­bir­ger muss­te auch ei­ne heik­le Si­tua­ti­on über­ste­hen. Auf der Tour­ma­let-Etap­pe quäl­te sich der 36-Jäh­ri­ge ge­ra­de mal 30 Se­kun­den vor dem Zeit­li­mit ins Ziel. Zwei Ta­ge zu­vor hat­te er ei­nen In­sek­ten­stich mit An­ti­bio­ti­ka be­han­deln müssen. Burg­hardt: „Ich ha­be nur die Er­klä­rung, dass dies der Grund für mei­nen Einbruch war. Am Tag da­nach ging es ja schon wie­der ziem­lich gut.“

 

Wie gut der 1,89 Me­ter lan­ge Sach­se auch wäh­rend sei­ner elf­ten Tour quer durch Frank­reich roll­te, be­ein­druck­te da­heim am TV-Ge­rät auch sei­nen ehe­ma­li­gen Übungsleiter Klaus Fi­scher. Das Ur­ge­stein vom RSV Ve­nus­berg hat­te sei­nen Schütz­ling so­gar noch kurz vor der Meis­ter­schaft am Sach­sen­ring im Hö­hen­trai­nings­la­ger in Livigno be­treut und war nach des­sen Tour-Auf­trit­ten als Hel­fer für Ka­pi­tän Pe­ter Sa­gan voll des Lo­bes: „Mit wel­chem Kampf­geist er fährt, ist ein­fach Wahn­sinn. Ich ha­be das Ge­fühl, er wird von Jahr zu Jahr bes­ser. Ich bin mäch­tig stolz auf ihn, auch we­gen seines gan­zen Auf­tre­tens.“ Dass dem Trai­ner nach drei Wo­chen Tour­prä­senz nun die Kin­der in Ve­nus­berg die Tür ein­ren­nen, weil sie al­le Rad­pro­fis wer­den wol­len, ent­spricht al­ler­dings ei­nem Wunsch­traum: „Die paar po­si­tiv Ver­rück­ten, die es noch gibt, fah­ren schon bei uns. An­sons­ten geht es seit der Wen­de eher berg­ab. Wer will sich denn heu­te noch quä­len? Die Kids spie­len lie­ber am Han­dy oder Com­pu­ter“, hat Fi­scher, über Jahrzehn­te en­ga­gier­ter Rad­trai­ner, sei­ne Er­fah­run­gen ge­macht. Burg­hardt ver­sucht sein Bes­tes, dem ent­ge­gen­zu­wir­ken. Bis ges­tern Abend wur­de sein Tour-Ori­gi­nal­tri­kot mit sämt­li­chen Au­to­gram­men zu­guns­ten des Ve­nus­ber­ger Nach­wuch­ses ver­stei­gert. Und dies soll nicht die letz­te Un­ter­stüt­zung für sei­nen Ver­ein ge­we­sen sein.

 

Denn Mar­cus Burg­hardt denkt noch lan­ge nicht ans Auf­hö­ren. Sein Ver­trag für den Renn­stall aus Raubling ist bis ein­schließ­lich 2021 da­tiert. Be­reits im Vor­jahr, auf dem Weg zum Flug­ha­fen zu sei­ner Ju­bi­lä­ums-Tour, hat­te er sich bei sei­ner Frau er­kun­digt, auf wie vie­le Tour-Teil­nah­men es der deut­sche Re­kord­hal­ter Jens Voigt ge­bracht hat­te. Die Ant­wort lau­tet: 17. Be­deu­tet, noch sechs­mal die Tour de Fran­ce fah­ren, bis 2025. „Ich möch­te schon, bis ich 40 bin, fah­ren, viel­leicht so­gar noch län­ger. Man muss sich doch ho­he Zie­le stel­len. Ich fah­re, so­lan­ge es Spaß macht“, blickt der Wahl-Bay­er vor­aus. Zah­len sind oh­ne­hin nur ein Bei­werk bei ei­nem lei­den­schaft­li­chen Pe­dal­eur, wie ihn Burg­hardt ver­kör­pert. Auch des­halb steht er hoch in der Gunst, wenn es je­des Jahr um die Be­set­zung des acht­köp­fi­gen Tour-Teams geht. Pe­ter Sa­gan weiß das zu schät­zen. „Ich ha­be mich bei Mar­cus und auch den an­de­ren Fah­rern be­dankt. Das Grü­ne Tri­kot auf den Champs-Élysées zu tra­gen, ist ein Pri­vi­leg und ei­ne Eh­re, vor al­lem mit dem Re­kord­er­geb­nis sie­ben. Al­le im Team ha­ben hart ge­ar­bei­tet, um das zu er­rei­chen.“

Burg­hardt fährt bei Bo­ra qua­si mit­ten­drin in ei­ner Ent­wick­lung, die an die Do­mi­nanz des frü­he­ren Te­le­kom(T-Mo­bi­le)-Renn­stalls er­in­nert – dies je­doch in ei­ner neu­en Ära mit strik­ter An­ti-Do­ping-Hal­tung und deut­lich er­höh­tem Hö­hen­trai­ning auf dem Rad. Das be­ginnt oft schon im Ja­nu­ar, Fe­bru­ar und steht noch­mal im Mai, Ju­ni an. Burg­hardt: „Es ist nicht für je­den Fah­rer das All­heil­mit­tel. Aber mir bringt es was. Wo­bei ich sa­gen muss, dass ich die­se Sai­son ins­ge­samt sehr viel Zeit auf dem Rad in­ves­tiert ha­be.“ Das Er­geb­nis der har­ten Ar­beit ern­te­te er in den letz­ten drei Wo­chen mit „ex­trem gu­ten Beinen“, wie er be­rich­te­te. Und das soll künf­tig auch so blei­ben. Falls Zah­len dann doch mal ir­gend­wann in­ter­es­sant wer­den: Der Fran­zo­se Syl­vain Cha­va­nel, der im Vor­jahr mit 39 sei­ne Kar­rie­re be­en­de­te, ist als 18-ma­li­ger Tour-Teil­neh­mer der al­lei­ni­ge Rekordhalter.

 

Bild­text: Das war knapp: der völ­lig ent­kräf­te­te Mar­cus Burg­hardt nach der Tour­ma­let-Etap­pe am 20. Ju­li. FO­TO: ROTH/AU­GENKLICK

 

 

Bild­text: Mit 36 Jah­ren weiß der ge­bür­ti­ge Zscho­pau­er Mar­cus Burg­hardt, wo man sich für ein gu­tes Fo­to wäh­rend der Schluss­etap­pe auf­hal­ten muss: di­rekt hin­ter Tour-Gesamt­sie­ger Egan Ber­nal (in Gelb) auf dem In­nen­hof des Lou­vre-Mu­se­ums von Paris. FO­TO: JU­LI­EN DE RO­SA/DPA